Einleitung
Vor rund 8.000 Jahren begannen Nomaden in Südostasien, den roten Dschungelhuhn, einen tropischen Vogel mit leuchtendem Gefieder, zu domestizieren. Dieser Prozess der Domestizierung hat nicht nur die äußere Erscheinung, sondern auch das Verhalten der Tiere in erheblichem Maße verändert. Von diesen Vögeln stammen die heutigen Hühner, die auf Farmen und unseren Tellern weltweit zu finden sind.
Domestizierungsexperimente an der Linköping Universität
Im Labor der Linköping Universität in Schweden versucht Professor Per Jensen, ein Experte für Verhaltensforschung, diesen Domestizierungsprozess in Rekordzeit nachzubilden. Durch die gezielte Zucht von Dschungelhühnern, die die geringste Furcht vor Menschen zeigen, konnte er bereits in 11 Generationen signifikante Unterschiede feststellen. Diese Experimente verdeutlichen eindrucksvoll, welch dramatischen Einfluss die Nähe zu Menschen auf das Verhalten von Tieren haben kann.
Das Phänomen des Domestizierungssyndroms
Die Geschichte der Domestizierung von Tieren erstreckt sich über Tausende von Jahren. Charles Darwin entdeckte als erster, dass domestizierte Tiere, wie Katzen, Hunde und Hausratten, neben ihrer Zähmung auch bestimmte gemeinsame Merkmale aufweisen. Diese Merkmale, wie hängende Ohren und gewellte Schwänze, werden als "Domestizierungssyndrom" bezeichnet.
Das bahnbrechende Experiment mit Silberfüchsen
Ein bahnbrechendes Experiment von 1959, durchgeführt von den sowjetischen Biologen Dmitri Belyaev und Lyudmila Trut, zeigt, dass selektive Zucht der zahmsten Silberfüchse in nur wenigen Generationen zu zahmen und freundlichen Tieren führen kann. Diese Tiere wiesen nicht nur verändertes Verhalten auf, sondern auch physische Merkmale wie verkürzte Schnauzen, hängende Ohren und lockere Schwänze.
Das Geheimnis des Domestizierungssyndroms
Das Domestizierungssyndrom könnte ein unbeabsichtigter Nebeneffekt der Zucht zahmer Tiere sein. Eine populäre Theorie besagt, dass bei der Zucht von zahmen Tieren unbeabsichtigt Individuen mit unterentwickelten Nebennieren ausgewählt werden. Diese Nebennieren sind für die "Kampf-oder-Flucht"-Reaktion verantwortlich, daher sind Tiere mit kleineren Nebennieren weniger ängstlich.
Evolution der Haushausmäuse
Die Hausmaus, vor rund 15.000 Jahren in unsere Vorratskammern eingezogen, zeigt Anzeichen genetischer Veränderungen aufgrund der langen Zusammenlebens mit Menschen. Experimente am Max-Planck-Institut in Deutschland mit verschiedenen Subspezies von Hausmäusen, die zu unterschiedlichen Zeiten mit Menschen in Kontakt kamen, zeigen, dass die Mäuse, die am längsten mit Menschen lebten, die besten Problemlöser wurden.
Veränderungen bei Fruchtfliegen in Laboren
Im Gegensatz dazu scheinen Fruchtfliegen, die in Laboren gezüchtet werden, im Vergleich zu ihren wilden Verwandten weniger aktiv zu sein. Genetische Vergleiche zeigen, dass Labormutationen, die über die letzten 50-100 Jahre auftraten, Veränderungen in einer Vielzahl von Genen, insbesondere solchen, die an der Bildung neuer Neuronen im Gehirn beteiligt sind, aufweisen.
Fazit
Die Evolution der Domestizierung geht über die reine Zähmung hinaus und führt zu umfassenden Veränderungen im Verhalten und Aussehen von Tieren. Von der Angst vor Menschen bis hin zur Anpassung an neue Problemlösungsstrategien – die Nähe zu Menschen hat tiefe Spuren in der Tierwelt hinterlassen. In einer Welt, in der Mensch und Tier miteinander interagieren, offenbaren sich faszinierende Einblicke in die Dynamik der Evolution und die Wechselwirkungen zwischen Arten.